"Den Bock zum Gärtner gemacht" / Markus C. Kerber erläutert die Bankenunion aus juristischer Perspektive
(ots) - Am Dienstag hielten die Münchner
Wirtschaftsgespräche, welche die Stiftung für Freiheit und Vernunft
erstmals in Kooperation mit dem Münchner Hayek-Club durchführte, für
die Zuhörer ein besonderes Schmankerl bereit: Der renommierte Jurist
Prof. Dr. Markus C. Kerber erläuterte die EU-Bankenunion und sowie
deren Rechtsgrundlagen, welche ihn geradezu dazu "zwangen", eine
weitere Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einzureichen.
Zunächst legte Kerber dar, welche essentielle Rolle die Banken im
EZB-ESM Rettungskonstrukt spielen. Sie sind quasi ein
Finanzierungsscharnier, welches die Arbeit des ESM erst möglich
macht. Sie zeichnen die Anleihen des ESM und sorgen so im
Zusammenspiel mit der EZB für deren Refinanzierung. In dem
Augenblick, in dem auch nur eine einzige Bank kollabiert, ist das
fragile System höchst gefährdet. Dass in einer solchen Situation die
Bankenaufsicht vollständig an die EZB übertragen wird, kreiert einen
unauflösbaren Interessenkonflikt. "Hier wird der Bock zum Gärtner
gemacht", so Kerber.
Neben dem unauflösbaren Interessenskonflikt monierte Kerber gleich
mehrere "ultra vires" Handlungen, also Selbstermächtigungen der EZB,
im Zuge der Errichtung der Bankenunion: Zunächst einmal spricht der
Artikel 127 (6) des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen
Union (AEUV) davon, dass "besondere" Aufgaben im Zusammenhang mit der
Bankenaufsicht an die EZB übertragen werden können. Eine vollständige
Übertragung derselben an die EZB impliziert dies keinesfalls.
Die Etablierung des Supervisory Committees, welches die
Bankenaufsicht innerhalb der EZB übernehmen soll, stellt einen
weiteren ultra vires Akt dar. Denn auf diese Weise wird de facto ein
drittes Organ in der EZB geschaffen, vorgesehen sind aber nur zwei:
das EZB-Direktorium und der EZB-Rat. Formal wird diesem Umstand
Rechnung getragen, in dem das Supervisory Committee lediglich die
Arbeit und einen Vorschlag macht - die Entscheidung trifft am Ende
immer noch der EZB-Rat. Allerdings ist es schon eine mehr als
merkwürdige Art eine Entscheidung zu treffen, in dem man einem
Vorschlag nicht widerspricht.
Auch in den geplanten Einrichtungen des Single Resolution
Mechansim (SRM) und des Single Resolution Funds (SRF) sieht Kerber
eine Selbstermächtigung, werden doch sowohl SRM als auch SRF über den
Artikel 114 des AEUV begründet, welcher aber eigentlich nur die
Harmonisierung des Binnenmarktes regelt. Die Schaffung eines
gemeinsamen Abwicklungsmechanismus und -fonds, der zeitgleich aber
nur für 18 der 27 Mitgliedsstaaten (die Euro-Länder) gilt, lässt sich
daraus kaum ableiten. Die Problematik dieser Begründung ist
offensichtlich auch dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble
bewusst, wie ein Brief des Ministers an den EU-Kommissar Michel
Barnier belegt.*
Im Rahmen seines Vortrags kam Markus Kerber auch darauf zu
sprechen, wie das "Qualitative Easing" der EZB, also die Aufgabe
eines einheitlichen Regelsystems die Hinterlegung von Sicherheiten
bei den nationalen Zentralbanken für entsprechende Kredite
betreffend, zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung führt. Zudem
kritisierte er die Umkehrung von Herrschaft und Haftung in der EZB,
auch und gerade innerhalb des Supervisory Committees. Als besonders
bedauerlich und auch als gefährlich stufte er die Entwicklung ein,
dass das Recht in Folge politischer Vorgaben "hingebogen" werde.
Dadurch werde die Kernaufgabe des Rechts, nämlich der (politischen)
Macht Einhalt zu gebieten, zerstört.
Der präzise Vortrag erfasste die Problematik der Bankenunion sehr
genau und dürfte im Publikum für eine Bewusstseinsschärfung gesorgt
haben. Entsprechend dankten es die Zuhörer Markus Kerber, die
komplexe Materie in leicht verständliche Form gegossen und noch dazu
eloquent vorgetragen zu haben, mit langem Applaus und vielen
weiterführenden Fragen und Anmerkungen im Anschluss.
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Datum: 04.09.2014 - 11:40 Uhr
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