Schwimm-Olympiasieger Michael Groß: "Einhundert olympische Minuten mit der größten Höhe und der tiefsten Tiefe"
(ots) - Sporthilfe-Experte Dr. Michael Groß über
seine olympischen Momente vor exakt 30 Jahren, warum er Ion Tiriac
als Manager ablehnte und seine Warnung an junge Athleten
Michael Groß war einer der herausragendsten Sportler der
80er-Jahre. Fast nach Belieben beherrschte der gebürtige Frankfurter
auf den Strecken 100 und 200 Meter Freistil bzw. Schmetterling in
seinen besten Zeiten die internationale Konkurrenz. Am 29. und 30.
Juli 1984 gewann er als 20-Jähriger bei den Olympischen Spielen in
Los Angeles über 100 Meter Schmetterling und 200 Meter Freistil
jeweils in Weltrekordzeit die Goldmedaille.
In dieser Woche jähren sich Ihre Olympiasiege von Los Angeles zum
30. Mal. Sind Ihnen Ihre Gefühle von damals noch präsent?
Diese Tage werde ich nie vergessen, ich denke, das wird jedem
erfolgreichen ehemaligen Spitzenathleten so gehen. Es waren
Meilensteine in meiner Karriere. Allerdings sind es nicht nur
positive Gefühle, die ich mit dem 29. Juli verbinde. Dieser Tag hielt
für mich einhundert olympische Minuten mit der größten Höhe und der
tiefsten Tiefe bereit. Ich wurde Einzel-Olympiasieger über 100 Meter
Schmetterling in Weltrekordzeit, nur wenig später verpassten wir mit
der Staffel Gold über 4x200 Meter Freistil, obwohl wir fast fünf
Sekunden unter dem eigenen Weltrekord blieben. Die Amerikaner waren
vier Hundertstel schneller. Diesen zweiten Platz mit dem Team
empfinde ich auch heute noch als größte Niederlage meines
Schwimmerlebens.
Wie blicken Sie heute, mit 30 Jahren Abstand, auf Ihre Erfolge?
Natürlich haben mich die Erfolge in gewisser Weise geprägt,
insbesondere auch, wie mir die Öffentlichkeit entgegengetreten ist.
Noch heute werde ich als der Olympiasieger wahrgenommen, die Menschen
sprechen mich darauf an. Mir ist aber bewusst, dass diese olympischen
Finalläufe extrem verschärfte Prüfungssituationen waren, die mit der
Lebenswirklichkeit wenig vergleichbar sind - sie addierten sich auf
gerade mal zehn Minuten meiner Lebenszeit. Die Welt des Sports ist in
meinen Augen oft recht eindimensional, der Alltag stellt mich immer
wieder vor deutlich vielfältigere Herausforderungen.
Sie haben parallel zu Ihrer Schwimmkarriere stets Ihr Studium und
damit Ihre berufliche Karriere vorangetrieben.
Ich habe nie nur auf Sport gesetzt, deshalb habe ich
beispielsweise Ion Tiriac 1984 als Manager abgelehnt, Schule und
später das geisteswissenschaftliche Studium an der Goethe-Universität
dagegen sehr ernst genommen. So habe ich regelmäßig in eine andere
Welt abtauchen können, in der Stress und Erwartungsdruck des
Spitzensports keine Bedeutung haben.
Sie sitzen in der Jury, die die Top-5-Athleten für die Wahl zum
Sport-Stipendiaten des Jahres [noch bis 22. August auf
www.sportstipendiat.de bestimmt hat, und haben damit einen
tiefergehenden Eindruck von der heutigen Doppelbelastung von
Spitzensport und Studium bekommen. Was können Sie der aktuellen
Sportlergeneration heute raten?
Ich kann junge Athleten nur davor warnen, sich ausschließlich das
Ziel zu stecken, Weltmeister oder Olympiasieger werden zu wollen. Wer
mehrere Optionen ins Auge fasst, hat auch mehr Chancen. Das Leben auf
mehrere Säulen aufzubauen, ist für jeden Menschen eine gute
Prophylaxe gegen Fehlentwicklungen. Ein normales soziales Umfeld mit
Familie und Freunden schützt und federt sogar existenziellen Druck
ab.
Dr. Michael Groß (*17. Juni 1964 in Frankfurt am Main) ist
dreifacher Olympiasieger und fünffacher Weltmeister und damit einer
der erfolgreichsten Schwimmsportler in Deutschland. Vier Mal wurde er
zum "Sportler des Jahres" gewählt. Parallel zur Sportkarriere
studierte der gebürtige Frankfurter Germanistik, Politik- und
Medienwissenschaften und promovierte 1994. Von der Deutschen
Sporthilfe wurde er über 12 Jahre gefördert, anschließend engagierte
er sich im Vorstand und Kuratorium der Stiftung, darüber hinaus ist
er Mitglied in emadeus - dem Club der Sporthilfe-Athleten.
Heute ist Michael Groß Inhaber von Groß & Cie., einer
Beratungsgesellschaft für Change Management und Talent Management. Er
ist zudem Lehrbeauftragter an der "Frankfurt School of Finance &
Management". Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
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Datum: 30.07.2014 - 11:00 Uhr
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