Nüssel befürwortet Freihandelsabkommen mit den USA: Agribusiness darf aber nicht zum Zahlmeister werden
(ots) - Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union
(EU) und den Vereinigten Staaten über ein transatlantisches
Freihandelsabkommen - kurz TTIP - nehmen in der öffentlichen
Diskussion großen Raum ein. "Leider verläuft diese Debatte vielfach
sehr unsachlich. Die genossenschaftlichen Unternehmen begleiten die
Verhandlungen grundsätzlich konstruktiv. Denn aus dem
transatlantischen Handelsabkommen können auch für die europäische und
deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft Chancen sowie neue
Absatzmärkte erwachsen", betont Manfred Nüssel, Präsident des
Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) bei der Mitgliederversammlung in
Berlin. "Wir haben durchaus offensive Exportinteressen, insbesondere
bei Milchprodukten und Wein. Einen weiteren Zollabbau begrüßen wir.
Allerdings benötigen bestimmte sensible Sektoren, vor allem die
Fleischwirtschaft, auch künftig Außenschutz in Form von
Importquoten", so Nüssel.
Streitpunkt der Verhandlungen ist aber nicht der Abbau von Zöllen,
sondern der Umgang mit unterschiedlichen Produktionsstandards. Im
Agrarsektor trifft dies vor allem die Lebensmittelsicherheit.
"Hormonfleisch" und "Chlorhühnchen" zählen zu den transatlantischen
Reizthemen. "Unser Ziel muss es sein, die Standards in denjenigen
Bereichen anzugleichen, wo dies sachlich machbar und politisch
vertretbar ist, z. B. beim Pflanzenschutz und in der Milchwirtschaft.
Hier besteht Potential für Kosteneinsparungen und es bestehen Chancen
für einen erleichterten Marktzugang in den USA", erklärt der
DRV-Präsident. "Ich fordere die EU-Verhandlungsführer auf, bei den
TTIP-Verhandlungen die Interessen der europäischen Agrarwirtschaft
offensiv zu vertreten. Die Agrarwirtschaft darf nicht einseitig zum
Zahlmeister der Interessen anderer Wirtschaftsbereiche werden.
Erforderlich ist darüber hinaus eine bessere beidseitige Abstimmung
der Zulassungsverfahren bei gentechnisch veränderten Organismen. Denn
die derzeitige Zulassungspraxis stellt unsere Unternehmen bei
Rohstoffimporten immer wieder vor erhebliche Probleme", so Nüssel.
Warenterminbörsen sind unverzichtbar
Das Engagement an Warenterminbörsen ist für die
genossenschaftlichen Unternehmen angesichts zunehmender
Preisvolatilität bei Getreide und Ölsaaten längst tägliche und vor
allem notwendige Praxis. Dennoch gibt es gegenüber der Öffentlichkeit
und - leider auch zunehmend gegenüber der Politik - nach wie vor
hohen Erklärungsbedarf: "Nicht die Warenterminbörsen, sondern die
Liberalisierung der EU-Agrarpolitik und globale Einflussfaktoren auf
Devisen- und Agrarrohstoffmärkten sind die Auslöser von
Preisschwankungen. Warenterminbörsen sorgen für höhere
Markttransparenz und reduzieren Lagerhaltungs- sowie
Vermarktungsrisiken. Das Engagement an Terminbörsen ist für unsere
Mitgliedsunternehmen zwingend erforderlich. Im Bereich
Getreide/Ölsaaten geschieht dies bereits in großem Umfang. Spätestens
mit dem Auslaufen der Quote 2015 wird dies auch verstärkt auf den
Milchmarkt zukommen", erwartet Nüssel.
Für Molkereigenossenschaften ist Risikomanagement nichts Neues:
Durch die Erweiterung ihrer Produktsortimente, Streuung der
Kundenstruktur und unterschiedliche Kontraktlaufzeiten federn sie
Markt- und damit Preis- sowie Einkommensschwankungen für ihre
Mitglieder ab. Mit dem Wegfall der Milchquote rechnet Nüssel damit,
dass die Volatilität weiter zunimmt. "Somit gewinnen funktionierende
Terminmärkte für Milcherzeuger und die Molkereiwirtschaft an
Bedeutung. Allerdings bilden Börsenpreise das Marktgeschehen nicht in
vollem Umfang ab. Zudem fehlt dem Terminmarkt im Milchbereich noch
die hinreichende Liquidität, um seine Aufgaben erfüllen zu können",
so Nüssel. Die gehandelten Mengen entsprachen 2013 bei Butter knapp 2
Prozent und bei Magermilchpulver lediglich knapp 1 Prozent der
nationalen Produktion. "Auch wird das aktive Engagement an
Warenterminbörsen, ebenso wie bei anderen Produkten, für die Mehrzahl
der Milcherzeuger ein zu komplexes und aufwändiges, vermutlich zu
risikobehaftetes Unterfangen sein. Diese Aufgabe übernimmt vorrangig
die Handels- bzw. Verarbeitungsstufe", betont der DRV-Präsident.
Initiative Tierwohl wird ein Erfolg
Die moderne Tierhaltung in Deutschland steht fortwährend unter
medialer, meist kritischer Beobachtung. "Dabei schlägt sich der immer
wieder aufgezeigte Trend zur fleischlosen Ernährung und steigenden
Nachfrage nach Bioprodukten nicht in den Verkaufszahlen am Point of
Sale nieder. Die Konsumenten verhalten sich offensichtlich anders als
in Umfragen ermittelt", stellt Nüssel fest. Seit neun Monaten
arbeitet die gesamte Wertschöpfungskette mit Hochdruck an der
Initiative Tierwohl. Die Umsetzung von Tierwohlkriterien und die
Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs sind die Eckpfeiler der
Branchenvereinbarung. "Der Grundstein ist gelegt. Ich bin
zuversichtlich, dass die Vereinbarungen nach erfolgter Zustimmung des
Bundeskartellamtes konsequent und vor allem erfolgreich am Markt
umgesetzt werden", unterstreicht Manfred Nüssel.
Deutscher Raiffeisenverband e.V. (DRV)
Der DRV vertritt die Interessen der genossenschaftlich
organisierten Unternehmen der deutschen Agrar- und
Ernährungswirtschaft. Als wichtiges Glied der Wertschöpfungskette
Lebensmittel erzielen die 2.385 DRV-Mitgliedsunternehmen im
Agrarhandel und in der Verarbeitung von Agrarerzeugnissen mit rund
82.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 67,5 Mrd. Euro. Landwirte,
Gärtner und Winzer sind die Mitglieder und damit Eigentümer der
Genossenschaften.
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Datum: 11.06.2014 - 13:00 Uhr
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