DER STANDARD-Kommentar: "Zwölf Fragen an Draghi" von Andreas Schnauder
(ots) - Deflationsgefahr, Konjunktursorgen, schwache
Kreditvergabe, starker Euro, labile Banken: Gleich mehrere Probleme
schleppt die Europäische Zentralbank mit sich herum, die sie mit
einer neuerlichen Zinssenkung - die Einlagenzinsen der Banken bei der
EZB rutschen gar in die rote Zone - und frischen Geldinjektionen in
das Finanzsystem lösen will. Zweifel an den Erfolgsaussichten gibt es
viele, zumal die Zentralbank nun schon seit sechs Jahren auf
Krisenmodus unterwegs ist - ohne durchschlagenden Erfolg. EZB-Chef
Mario Draghi sollte sich daher ein paar Fragen durch den Kopf gehen
lassen:
Die Zinsen lagen bisher schon auf Rekordtief, ohne dass dadurch
die Kreditvergabe stimuliert worden wäre. Warum glauben Sie, dass
eine weitere Senkung nun einen Umschwung herbeiführen soll? Negative
Einlagenzinsen stellen eine Art Strafgebühr für Banken dar, die
überschüssige Liquidität bei der EZB parken: Ist nicht damit zu
rechnen, dass Banken diese Kosten an die Kunden überwälzen und wegen
geringer Nachfrage und hohen Kreditrisikos weiterhin kaum Darlehen
vergeben? Herr Draghi: Fühlen Sie sich nicht mitverantwortlich für
die restriktive Kreditvergabe - die Banken steigen ja wegen
Bilanzcheck und Stresstest zurzeit noch stärker auf die Bremse?
Herr Präsident, bei allem Respekt vor Ihrer Unabhängigkeit: Kann
es sein, dass die Zinssenkungen in Zusammenhang mit den hohen
Staatsschulden der Euroländer stehen, denen Sie zur Seite springen?
Wenn ja: Halten Sie es für einen willkommenen Lenkungseffekt, dass
die Staaten dank niedriger Zinsen weniger rasch konsolidieren?
Diverse Studien haben analysiert, dass die Politik der großen
Notenbanken - abgesehen von den Regierungen - Immobilien- und
Aktieninvestoren Billionengewinne beschert: Halten Sie diese
Umverteilung nach oben zu tendenziell wohlhabenden Anlegern für
vertretbar? Was sagen Sie kleineren und mittleren Sparern, deren
Guthaben nun schon seit mehreren Jahren durch niedrige Zinsen
entwertet werden? Hinkt ein Vergleich zwischen einer Vermögenssteuer
auf festverzinsliche Finanzanlagen und der EZB-Politik? Wenn ja,
warum?
Herr Draghi, Sie haben am Donnerstag auch neue langfristige
Geldspritzen an die Banken angekündigt. Bisherige Maßnahmen dieser
Art führten vor allem dazu, dass die Finanzinstitute die Mittel bei
der EZB parkten oder sie in Staatsanleihen und Sachwerte pumpten.
Warum glauben Sie, dass die neuerlichen Injektionen diesmal
Unternehmen und Konsumenten zugutekommen sollen? Besteht nicht die
Gefahr, dass die Fortsetzung der Geldschwemme echte Blasen
heranwachsen lässt, deren Platzen zu massiven Erschütterungen der
Weltwirtschaft führen kann?
Eine Abschlussfrage, wenn Sie gestatten: Die gesunkene Inflation
in der Eurozone hängt mit hoher Arbeitslosigkeit und daher schwachem
Konsum sowie niedrigen Energie- und Rohstoffkosten zusammen. Glauben
Sie ernsthaft, dass die Geldpolitik hier gegensteuern kann?
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Datum: 05.06.2014 - 19:01 Uhr
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(Ausgabe ET 6.6.2014) Wien
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Banken und Versicherungen
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