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BDI-Präsident Grillo zur Europawahl:
Enorme Errungenschaften unseres Kontinents

ID: 1049023

(ots) -
- Ukraine-Konflikt zeigt: In Europa darf nicht das Recht des
Stärkeren gelten
- Europa braucht keinen Rückzug in nationale Wagenburgen
- Brief an rund 1000 Wirtschaftsvertreter

Mit einem Appell, für die Erfolgsgeschichte Europa in ihren
Unternehmen zu werben, hat sich Ulrich Grillo, Präsident des
Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), über Ostern in einem
Brief an rund 1000 Wirtschaftsvertreter gewendet. "Wir Europäer lösen
Konflikte durch Verhandlungen und Konsens. In Europa darf nicht das
Recht des Stärkeren gelten", warnte Grillo.

Diese Maßgabe gelte auf unserem ganzen Kontinent - auch östlich
der EU-Grenze, schrieb Grillo mit Blick auf die Entwicklung in der
Ukraine. Der Brief ging gut einen Monat vor der Europawahl an die
Chefs der 500 größten deutschen Unternehmen sowie mehr als 400
weitere Unternehmens- und Verbandsvertreter, wie der BDI am Montag in
Berlin mitteilte.

Die Ukraine-Krise führe den Deutschen die enormen Errungenschaften
der EU wieder deutlich vor Augen, unterstrich Grillo. "Ich hoffe,
dass diese Erkenntnis zu einer neuen Wertschätzung der europäischen
Einigung führt."

Ein Rückzug in nationale Wagenburgen sei genau das Gegenteil von
dem, was Europa brauche. "Keinem ist gedient, die vorhandenen
Probleme im Euroraum zu überzeichnen. Realismus ist gut. Aber
vergessen wir nicht den Blick auf die unbestreitbaren Erfolge unserer
EU", betonte Grillo.

Die EU habe allem voran Frieden und Freiheit in Europa gebracht,
stellte der BDI-Präsident fest. Das sei angesichts der
Staatsschuldenkrise in den vergangenen Jahren häufig aus dem Blick
geraten. Insgesamt sei der Wohlstand seit Start des Binnenmarktes vor
22 Jahren um fast 900 Milliarden Euro gestiegen - etwa 6000 Euro pro
Familie.

Bei allen Mühen der Ebene und allen Unvollkommenheiten gelte die




EU in vielen Regionen der Welt als attraktives Modell: "Viele
Menschen würden sich wünschen, die Chance zu erhalten, mit uns hier
zu leben", schrieb Grillo.

"Wir Europäer wählen in Kürze das mächtigste EU-Parlament, das wir
je hatten", erklärte der BDI-Präsident. "Ich appelliere an Sie,
gerade nun unmittelbar vor der Europawahl für die eindeutige
Fortsetzung der Erfolgsgeschichte Europa zu werben - auch in Ihren
Unternehmen, in Ihren Freundeskreisen und in Ihren Familien."

Zu Ihrer Kenntnis der Brief im Wortlaut:

Werben Sie für die Erfolgsgeschichte Europa! Prioritäten setzen -
für Wachstum und Wohlstand

In gut einem Monat ist Europawahl. Diese Wahl zählt: Es geht um
dringende Antworten auf globale Herausforderungen, die kein einzelnes
Land und keine einzelne Regierung alleine finden kann. Umso wichtiger
sind gemeinschaftliche politische Entscheidungen. Sie machen die EU
aus - und zu einem einzigartigen vielstaatlichen Gebilde weltweit.

Für die Vertiefung der EU sprechen nicht nur wirtschaftliche,
sondern auch politische Gründe. Der Gedanke eines einigen Europas war
niemals nur ein materielles Projekt. Es ist vor allem ein ideelles,
ein Völker verbindendes Projekt.

Das immer stärker zusammenwachsende Europa hat uns spürbar
wirtschaftliche Prosperität gebracht. Wichtiger noch sind der schon
fast 70 Jahre dauernde Frieden und die Freiheit, die uns Europa
gebracht hat. Diese Werte sind vor dem Hintergrund der aktuellen
Ereignisse in der Ukraine wieder stärker in den Vordergrund gerückt -
und das ist gut.

Wir Europäer lösen Konflikte durch Verhandlungen und Konsens. In
Europa darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Diese Maßgabe gilt
auf unserem ganzen Kontinent - auch östlich der EU-Grenze.

Mitunter sind Verhandlungen und Konsens ein mühsames Geschäft -
zumal unser institutioneller Rahmen noch lange nicht perfekt ist.
Daran müssen wir Europäer arbeiten. Vorrangig ist es Aufgabe der
Politik, aber die Wirtschaft begleitet diesen laufenden Prozess
konstruktiv. Wir im BDI sind deshalb sehr aktiv in Dauerkontakt mit
Partnerverbänden anderer EU-Staaten, zuletzt zum Beispiel mit unseren
französischen Freunden von Medef, unseren italienischen von
Confindustria und unseren britischen von CBI.

Gerade in der stark vernetzten Industrie ist klar: Ein Rückzug in
nationale Wagenburgen wäre das genaue Gegenteil von dem, was wir in
Europa brauchen. Dieser Rückzug würde kein einziges Problem besser
lösen. Die europäische Solidarität würde zerbrechen - ausgerechnet in
einer Zeit, in der Europa handlungsfähig sein muss, um als "Global
Player" überhaupt noch ernst genommen zu werden.

Zwischen dem 22. und 25. Mai 2014 sind über 400 Millionen
Bürgerinnen und Bürger in 28 EU-Mitgliedstaaten aufgerufen,
entscheidende Weichenstellungen in ihrem Kontinent vorzunehmen. Je
mehr Wahlberechtigte ihr Kreuz machen, desto nachdrücklicher wird das
EU-Parlament legitimiert für die Wahlperiode bis 2019.

Anti-EU-Populismus stellt große Errungenschaften infrage. Bei
allen Mühen der Ebene und allen Unvollkommenheiten gilt die EU in
vielen Regionen der Welt als attraktives Modell. Viele Menschen
würden sich wünschen, die Chance zu erhalten, mit uns hier zu leben.

Der Europäische Binnenmarkt, in dem wir mit unseren Unternehmen
überwiegend arbeiten, schafft jedes Jahr rund 600 Milliarden Euro
zusätzlichen Wohlstand in der EU. Der Handel, der Tag für Tag über
nationale Grenzen hinweg, aber innerhalb der EU passiert, ist doppelt
so groß, wie er ohne Binnenmarkt wäre.

Insgesamt stieg der Wohlstand seit Start des Binnenmarkts vor 22
Jahren um fast 900 Milliarden Euro - etwa 6000 Euro pro Familie. In
dieser Zeit hat der Wettbewerb für höhere Qualität gesorgt und viele
Preise gesenkt: Gespräche über Mobiltelefone wurden um rund 70
Prozent billiger, Flugtickets um ungefähr 40 Prozent.

Ich bin überzeugt: Europa ist gut unterwegs, um die großen
Herausforderungen der Finanz- und Staatsschuldenkrise zu meistern.
Reformen für mehr Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit haben dazu
entscheidend beigetragen.

Die Euro-Krisenstaaten sind auf dem Weg aus der Krise weiter
vorangekommen, als die meisten jemals angenommen haben. So liegt -
überraschend für mich - Griechenland in einem Reformranking der OECD
ganz vorn, dicht gefolgt von Irland, Portugal und Spanien.

Noch ist nicht alles gut. Aber vieles ist besser, als wir uns das
momentan vorstellen. Die OECD lobt gegenwärtig die initiierten
Arbeitsmarktreformen. Dazu zählen etwa die Flexibilisierung der
Arbeitszeiten, die Senkung der Mindestlöhne oder die,
Dezentralisierung der Tarifverhandlungssysteme. Dies sind für
einzelne Beschäftigte, für einzelne Unternehmen sehr große
Veränderungen, die durchaus auch schmerzen. Diese Veränderungen haben
die Arbeitskosten deutlich gesenkt und Standorte wettbewerbsfähiger
gemacht.

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen ist im Gros der
Krisenstaaten konsequenter vorangeschritten als etwa in den USA oder
Japan. Die meisten Krisenländer sind agiler. Überall konnten die
zuvor stark angewachsenen Importüberschüsse wieder zurückgehen, um
sich einer gesunden Balance anzunähern.

Die EU und ihr Parlament haben zu den Erfolgen maßgeblich
beigetragen. Sie haben das Regelwerk der Eurozone in wichtigen Teilen
reformiert und zusätzlich Reformdruck ausgeübt: Stabile
Staatsfinanzen will die EU in Zukunft besser sicherstellen durch
einen schärferen Stabilitäts- und Wachstumspakt, einen Fiskalpakt mit
nationalen Schuldenbremsen und ein Rückverweisungsrecht der
EU-Kommission, wenn Staaten unsolide Haushaltspläne präsentieren.

An tragfähigen öffentlichen Haushalten führt kein Weg vorbei. Es
ist gut, dass Deutschland auf diesem Weg mit gutem Beispiel
vorangeht. Dafür hat die Bundesregierung ein ausdrückliches Lob
verdient. Möglichst viele andere EU-Staaten sollten dieser Politik
folgen.

Der Euro-Rettungsschirm hat eine institutionelle Lücke
geschlossen. Zuvor gab es keinen Mechanismus, Euroländern in nötigem
Ausmaß zu helfen, wenn diese drohten, vom Finanzmarkt abgeschnitten
zu werden. Entscheidend ist für mich: Europäische Solidarität wird
mit europäischem Reformdruck verbunden. Ohne die Auflagen und das
konsequente Agieren der Troika aus EU-Kommission, Europäischer
Zentralbank und Internationalem Währungsfonds wären die Reformen für
mehr Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit nicht so weit vorangekommen.

Nirgendwo in der Welt sind die grenzüberschreitenden
Produktionsnetzwerke so eng geknüpft wie in Europa. Fast zwei Drittel
aller in Wertschöpfungseinheiten gemessenen hiesigen Exporte gehen an
europäische Abnehmer. Zum Vergleich: In den Mitgliedsländern des
nordamerikanischen Freihandelsabkommens oder in Asien liegt dieser
intraregionale Anteil nur bei rund 40 Prozent.

Die Industrie hat für Europa eine starke integrative Funktion. Das
weitere Zusammenwachsen der 28 Mitgliedstaaten zu einem Binnenmarkt
wird hauptsächlich von der Industrie getrieben.

Netzwerkbildung ist ein Erfolgsrezept. Empirische Untersuchungen
zeigen, dass diese Kooperationsverbünde zu den klassischen
Erfolgsfaktoren von Unternehmen und Volkswirtschaften gehören. Das
können wir in der Realwirtschaft besonders gut.

Die EU muss stärker, stabiler und wettbewerbsfähiger werden als
heute. Sie muss ihre Kräfte bündeln und sich auf die großen
Herausforderungen konzentrieren. Dafür braucht sie starke
Institutionen, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. So
verbessern sich die Rahmenbedingungen für Innovationen, für
Unternehmertum und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Europa muss Prioritäten setzen - für Wachstum und Wohlstand. Die
EU-Institutionen müssen Subsidiarität wieder leben. Mir geht es
ausdrücklich nicht darum, Kompetenzen auf die nationale Ebene
rückzuverlagern. Mir geht es darum, dass das neue EU-Parlament und
die neue EU-Kommission ihre sinnvollen Zuständigkeiten
verantwortungsvoll wahrnehmen.

Maßgeschneiderte Freiräume schaffen das notwendige Vertrauen für
ein starkes Europa. Deshalb: Ja, wir brauchen mehr Europa: mehr
Integration in Schlüsselbereichen wie der Finanzpolitik, der
gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder der Energiepolitik.

Regelmäßig tagt der Rat für Wettbewerbsfähigkeit, in dem die
zuständigen Fachminister zusammenarbeiten. Ich finde, ihre
Zusammenkünfte sollten deutlich aufgewertet und zum zentralen Wächter
für Wettbewerbsfähigkeit in der EU werden. Diese Experten sollten
alle industrierelevanten Vorhaben umfassend kontrollieren und ein
echtes Mitspracherecht erhalten.

Innerhalb der EU-Kommission muss sichergestellt werden, dass alle
neuen politischen Initiativen und Gesetzesvorschläge systematisch auf
Wettbewerbsfähigkeitswirkungen und Kohärenz geprüft werden. Daran
mangelt es bisher. Das muss sich ändern. Es gibt schon das Instrument
des Wettbewerbsfähigkeits-Checks bei neuen Regulierungsinitiativen.
Dieses müssen wir Europäer konsequent und transparent nutzen - anders
als bisher.

Darüber hinaus fordern wir im BDI, den Europäischen
Stabilitätsmechanismus (ESM) mit wirklichen Kompetenzen für
Wettbewerbsfähigkeit, Haushalts- und Fiskalpolitik auszustatten. Der
ESM hat bereits wesentlich zu den Reformerfolgen in den Krisenstaaten
beigetragen, weil er jede Art von Hilfe an Reformauflagen knüpft.
Dieser Konvergenz-Prozess im Euroraum muss weitergehen.

Verstärkte Zusammenarbeit im Euroraum und demokratische Kontrolle
sind kein Widerspruch. Der ESM ist hier ein gutes Beispiel: Gegen den
Willen des Bundestages kann der ESM keine Beschlüsse über Hilfspakete
fassen. Auch das neue EU-Parlament erhält neue Rechte. Wir Europäer
wählen in Kürze das mächtigste EU-Parlament, das wir je hatten.

Wir in unseren Unternehmen, unsere Beschäftigten und Familien
haben viel von Europa. Keinem ist gedient, die vorhandenen Probleme
im Euroraum zu überzeichnen. Realismus ist gut. Aber vergessen wir
nicht den Blick auf die unbestreitbaren Erfolge unserer EU. Sie hat
uns allem voran Frieden und Freiheit in Europa gebracht. Das ist
angesichts der Staatsschuldenkrise in den vergangenen Jahren häufig
aus dem Blick geraten.

Die Ukraine-Krise führt uns die enormen Errungenschaften unseres
Heimatkontinents wieder deutlich vor Augen. Ich hoffe, dass diese
Erkenntnis zu einer neuen Wertschätzung der europäischen Einigung
führt. Ich appelliere an Sie, gerade nun unmittelbar vor der
Europawahl für die eindeutige Fortsetzung der Erfolgsgeschichte
Europa zu werben - auch in Ihren Unternehmen, in Ihren
Freundeskreisen und in Ihren Familien.



Pressekontakt:
BDI Bundesverband der Dt. Industrie
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Breite Straße 29
10178 Berlin
Tel.: 030 20 28 1450
Fax: 030 20 28 2450
Email: presse(at)bdi.eu
Internet: http://www.bdi.eu

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Datum: 21.04.2014 - 10:00 Uhr
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