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"Blutzuckerwerte rund um die Uhr wären optimal" (FOTO)

ID: 1045651


(ots) -
Dr. med. Jens Kröger ist Facharzt für Innere Medizin, Diabetologe
DDG sowie Vorstandsmitglied von diabetes DE - Deutsche Diabetes-Hilfe
und leitet eines der größten Diabetes-Zentren in Deutschland. Wie
Menschen mit Diabetes dort für den Alltag fit gemacht werden und was
wichtig ist, um diese optimal behandeln zu können, erklärt der
Diabetologe im Experten-Interview.

Rund 300.000 Typ-1-Diabetiker und mehr als 1,5 Millionen
Typ-2-Diabetiker in Deutschland müssen mehrmals täglich ihren
Blutzucker messen und die entsprechende Menge Insulin spritzen. Wie
machen Sie Ihre Patienten fit für den Alltag?

Was wir ihnen an die Hand geben können, ist zunächst einmal eine
strukturierte Diabetesschulung. Hier werden wesentliche Inhalte einer
modernen Diabetestherapie vermittelt, z.B. wie messe ich richtig
Blutzucker und warum sollte ich es regelmäßig tun? Wie kann ich meine
individuellen Kohlenhydrateinheiten berechnen und die entsprechende
Menge Insulin ableiten? Das Problem ist: Nicht jeder hat immer Zeit,
in Ruhe zu essen und vorher seinen Blutzucker zu messen und dann zu
spritzen. Vieles geschieht in Hektik, zum Beispiel auf der Arbeit. Da
können schnell mal Fehler passieren. Bei der Blutzuckermessung kann
das Problem entstehen, dass die Finger nicht sauber sind. Wenn etwa
etwas Süßes an den Fingern haftet, wird das Messergebnis verfälscht.

Wie oft müssen insulinpflichtige Menschen mit Diabetes pro Tag den
Blutzucker messen?

Bei einer intensivierten Insulintherapie* ist vier Mal täglich
messen das Minimum, um den Diabetes gut steuern zu können. In der
Regel isst man drei Mahlzeiten pro Tag - morgens, mittags, abends -
vor denen der Blutzucker kontrolliert werden sollte. Zusätzlich
sollte man vor dem Schlafengehen messen. Aber auch sechs bis acht Mal
messen ist möglich. Zusätzliche Situationen, die Messungen




erforderlich machen, können zum Beispiel Sporteinheiten sein oder ein
Stück Kuchen am Nachmittag. Sprich: alle Dinge, die den Blutzucker
beeinflussen. Wichtig ist jedoch: Blutzuckermessung muss immer vor
dem Hintergrund einer guten Lebensqualität gesehen werden. Alle
Therapien und Methoden sollen unterm Strich die Lebensqualität
verbessern.

Das erfordert viel Disziplin. Was fällt den Betroffenen im Alltag
am schwersten?

Die Theorie dessen, wann ich meinen Blutzucker messen soll, und
die Integration in meinen Alltag, sind zwei unterschiedliche Dinge.
Ein Schüler mit Typ-1-Diabetes etwa, hat vielleicht Probleme damit,
im Unterricht zu messen oder kann nicht immer ohne weiteres Nahrung
zu sich nehmen. Das gleiche gilt für den Arbeitsalltag. Nicht alle
erzählen den Kollegen von ihrer Erkrankung und Vielen ist es
unangenehm, in der Öffentlichkeit zu messen. Es kommen immer wieder
Situationen vor, in denen die Betroffenen wissen, dass sie messen
müssten, aber dies nicht tun können oder wollen. Das ist eine enorme
Belastung. Hierzu ist es wichtig zu wissen, dass der Blutzucker nicht
immer gleich reagiert. An einem Tag esse ich zwei Brötchen und der
Blutzucker steigt um ein gewisses Maß, an einem anderen Tag haben die
gleichen Brötchen eine ganz andere Auswirkung auf den Blutzucker.
Zwischendrin habe ich dann vielleicht Stress oder rege mich auf. So
ist das Leben. Deswegen sollte man nie nach Gefühl spritzen, sondern
immer zuerst den Blutzucker messen.

Was ist für Sie als Diabetologe wichtig, um Ihre Patienten optimal
zu begleiten?

Eine ehrliche Dokumentation, was die Patienten machen, was sie
beschäftigt: Ein Tagebuch, in dem alle Messwerte, aufgenommene
Kohlenhydrateinheiten, Insulindosen und Besonderheiten wie Stress
oder Sport notiert werden. Auch das fällt vielen nicht leicht. Aber
nur auf dieser Basis kann ich mein Behandlungsziel erreichen: eine
optimale Lebensqualität im Rahmen der therapeutischen Möglichkeiten.

Das heißt: Je mehr Informationen, desto besser die
Therapiemöglichkeiten. Wenn Sie 24-Stunden-Daten Ihrer Patienten
hätten, was würde das für Sie ändern?

Das wäre optimal: Wenn ich über den ganzen Tag sehen könnte, wie
der Blutzucker gelaufen ist - auch nachts. Ich habe deutlich mehr
Information, wenn ich kontinuierliche Blutzuckerverläufe sehe. Denn
normal messen Patienten vier bis fünf Mal am Tag, das sind
Momentaufnahmen. Bei einer kontinuierlichen Blutzuckermessung kann
ich Phasen sehen, die üblicherweise nicht abgebildet werden: Die
Verläufe, Schwankungen und Unterzuckerungen. Blutzuckerschwankungen
sagen z.B. viel über die Nahrung aus, die aufgenommen wurde. Denn da
gibt es große Unterschiede. Ein einfaches Beispiel: Weißbrot geht
schnell ins Blut, Schwarzbrot langsam. Welche Brotsorte gegessen
wurde, kann ich bei einer kontinuierlichen Blutzuckermessung am
Verlauf der Kurve ablesen. Zudem bin ich immer wieder erstaunt, wie
viele Menschen Unterzuckerungen haben. Manche merken das nach vielen
Jahren mit Diabetes gar nicht mehr. Oft schlafen sie einfach darüber
hinweg, das kann im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Situation
sein.

* mehrmals tägliche Gabe von Insulin, unterteilt in Basalinsulin
als Basis und Mahlzeiteninsulin



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Aileen Apitz
Friesenweg 5f
22763 Hamburg
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