Wettbewerbsrecht, Healthcare: „ L. stoppt Durchfall!“ ist ein unzulässiger Werbeclaim
Mit Richterspruch vom 31.01.2014 hat das Oberlandesgericht Schleswig entschieden, dass der Claim „L. stoppt Durchfall!“ gegen das Wettbewerbsrecht verstößt und daher rechtswidrig ist (OLG Schleswig, Urteil vom 30.01.2014 – 6 U 15/13).
(IINews) - Der Arzneimittelmarkt ist hart umkämpft. Das zeigt schon die Tatsache, dass im Jahr 2013 weltweit fast 200.000 neue Arzneimittelmarken eingetragen wurden, wie Thomson Reuters in seinem „2013 Trademark Report“ berichtet. Medikamente wollen auf dem Markt positioniert werden, weswegen Marketing ein existenzieller Bestandteil der Healthcare-Branche geworden ist.
In Deutschland ist die Arzneimittelwerbung zum einen durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, als auch durch das Heilmittelwerbegesetz reglementiert. Nur bestimmte Medikamentensorten dürfen öffentlich beworben werden. Dabei müssen die Belange der Verbraucher streng berücksichtigt werden, um das Risiko einer fehlerhaften Anwendung von Medikamenten gering zu halten.
Sachverhalt:
Im vorliegenden Fall hatte ein Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe die Wahrung der Lauterkeit der Werbung im Healthcare-Bereich ist, gegen die o. g. Werbung für ein Präparat gegen die Symptome der Diarrhoe eines Pharmaunternehmens geklagt. Derartige Vereine, zuweilen auch Abmahnverein genannt, sind aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) berechtigt, Klage gegen das Marktverhalten von Marktteilnehmern zu erheben. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Nach einer Abmahnung weigerte sich der Hersteller der Medikamente jedoch, die beanstandete Werbung einzustellen, weswegen es zur gerichtlichen Auseinandersetzung kam.
Der Verein beanstandete die Werbung, da er sie gegenüber den sogenannten beteiligten Verkehrskreisen – also auch den Verbrauchern – für irreführend befand. Das Medikament „stoppe“ die Beschwerden des Durchfalls nicht, sondern lindere sie lediglich über einen Zeitraum von zwei Tagen, bis sie schließlich beendet seien. Dies sei durch eine Studie attestiert worden.
Das Studienergebnis entspreche daher nicht dem Eindruck, den die Werbung beim Verbraucher hinterlasse.
Entscheidung:
Der Abmahnung folgte ein einstweiliges Verfügungsverfahren, das nun in zweiter Instanz durch rechtskräftiges Urteil des OLG Schleswig abgeschlossen wurde und daher künftig auch in anderen Rechtsstreitigkeiten von anderen Gerichten als Maßstab für die Bedeutung des Wortes „Stoppen“ in der Werbung herangezogen werden wird.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch war unter anderem § 5 UWG, der irreführende Werbung verbietet. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der durch eine umfangreiche und komplexe Kasuistik geprägt ist.
Vereinfacht gesagt soll mit dem Verbot irreführenden Marktverhaltens Werbung sanktioniert werden, die nicht hält, was sie verspricht.
Im Bereich des Healthcare-Marketings müssen neben diesen Vorschriften auch noch die zum Teil sehr engen, aber mit Novelle von 2012 deutlich gelockerten Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) beachtet werden. Diese erlauben unter anderem die Bezugnahme auf wissenschaftliche Studien, soweit bestimmte formale Kriterien beachtet werden.
Auch im vorliegenden Fall hatte sich die Beklagte auf eine solche medizinische Studie berufen, die formell zwar rechtmäßig war, jedoch dem Medikament lediglich attestierte, die Dauer der Durchfall-Symptome auf zwei Tage zu reduzieren, nicht aber sofort zu beenden.
Damit war zwischen den streitenden Parteien unbestritten, dass das Medikament die Symptome nicht sofort beseitigt. Hierin lag der ausschlaggebende Faktor bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Werbung, in der das Wort „Stoppen“ benutzt worden war.
Im Wettbewerbsrecht ist die Werbung daran zu messen, wie sie von einem verständigen, durchschnittlich informierten Verbraucher verstanden wird.
Daher stellte auch das Gericht darauf ab, was die Verbraucher unter dem Wort „stoppen“ verstehen. Hinsichtlich des Wortes „Stoppen“, so urteile das OLG, verstünden die Adressaten, dass die Symptome von Durchfall bereits binnen weniger Stunden vollständig beendet seien, nicht aber, wie die Studie belege, dass lediglich Symptome binnen zwei Tagen gelindert würden.
Das ergebe sich schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „stoppen“, welches nicht die Einleitung z. B. eines Bremsvorganges bezeichne, sondern die unmittelbare rasche Herbeiführung eines Stillstandes.
Der Verbraucher dürfe anhand einer solchen Werbung glauben, dass Durchfall-Beschwerden mit sofortiger Wirkung beendet würden. Er müsse gerade nicht davon ausgehen, dass es sich um ein Produkt handele, mit dem ein zweitägiger Heilungsprozess eingeleitet wird.
Demzufolge urteilte das OLG, dass die berechtigten Erwartungen der Adressaten der Werbung durch eine solch drastische Formulierung in die Irre geführt würden.
Unjuristisch formuliert: Die Werbung hält nicht, was sie verspricht und ist daher rechtswidrig.
Aus diesen Gründen untersagte das OLG Schleswig die weitere Verwendung des Slogans „L. stoppt Durchfall“.
Fazit:
Einmal mehr wird deutlich, dass Werbung im Bereich Healthcare engen juristischen Kriterien unterliegt und sowohl von Interessenverbänden und Mitbewerbern scharf beobachtet wird. Gerade im Bereich der verschreibungsfreien Medikamente (OTC) nimmt der Wettbewerb zu.
Auch die Liberalisierung der Heilmittelwerbevorschriften trägt dazu bei, dass sich die Werbung endlich traut, neue Wege zu gehen.
Dennoch dürfen grundlegende Aspekte des Wettbewerbsrechts nicht außer Acht gelassen werden, wie der vorliegende Fall zeigt.
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Datum: 04.04.2014 - 08:29 Uhr
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