Des Kaisers neue Kleider - Irrglaube und Manipulation
Handelt es sich bei „Des Kaisers neue Kleider“ lediglich um ein lustiges und zugleich denkwürdiges Märchen? Oder sind wir selbst ein gefundenes Fressen für geschickte Geschäftemacher?
(IINews) - Das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen“ handelt von einem Kaiser, der sich von zwei Betrügern für viel Geld neue Gewänder weben lässt. Man macht ihm weis, die Kleider könnten nur von Personen gesehen werden, die ihres Amtes würdig und nicht dumm seien. Tatsächlich geben die Betrüger jedoch nur vor, zu weben. Dass der Kaiser die Kleider nicht sehen kann, weildiese gar nicht da sind, gibt er nicht zu - und auch die Menschen seines Hofstaates geben ihre Begeisterung über die scheinbar schönen Stoffe lediglich vor. Die Geschichte vom Schalksnarr Till Eulenspiegel im Marburger Schloss ist ähnlich. Handelt es sich nur um Märchen? Oder sind wir nicht alle ein gefundenes Fressen für geschickte Geschäftemacher?
Andreas Köhler, Gründer und Leiter von ib, -die image berater-, Agentur für angewandte Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Wirtschaftspsychologie: „Wir sehen und fühlen u.a. das, was wir sehen wollen und das, was andere uns sagen. Tatsächlich fühlen sich viele Menschen mit einer Markenjeans viel besser. Wer sie wo in Wirklichkeit zu welchen Konditionen und mit welcher messbaren Qualität hergestellt hat, spielt dabei meistens keine Rolle. Der eine Kaffee steht günstig im Discounter, den gleichen kauft man zu besonderen Anlässen aber lieber teurer und mit Marken-Image."
Köhler ergänzt durch ein weiteres Beispiel: „Viele Unternehmen und Institutionen machen eine Auftragsvergabe davon abhängig, dass der Auftragnehmer eine sogenannte Zertifizierung besitzt. Das Verrückte: Die gleichen mögen es wiederum zumeist nicht, wenn das Ergebnis einer in Auftrag gegebenen Analyse oder Befragung negativ ausfällt, schließlich erwartet der Auftraggeber unter der Hand eigentlich eine positive Qualitäts-Bestätigung für seine eigene Zertifizierung.“
Hier beißt sich die Katze in den Schwanz und die Realität zeigt, welchem Schalk wir täglich folgen. Die Realität zeigt uns auch, welchem Irrsinn wir selbst verfallen, ohne es selbst zu bemerken bzw. es zu hinterfragen.
„Ich habe kein Problem - Ich mache alles richtig! “, sagt die Bewerberin nach 20 erfolglosen Bewerbungen und ebenso die Führungskraft, deren berufliche Probleme sich in letzter Zeit vermehren. Bei uns läuft alles wunderbar!“, sagt auch der Geschäftsführer, der darüber informiert wird, dass Kunden angeblich negativ über das Unternehmen reden. „Ich erhalte von allen Seiten positiven Zuspruch!“, kontert die Bürgermeister-Kandidatin, nachdem ihr die negativen Ergebnisse einer Umfrage präsentiert wurden. Auf das Ergebnis der Wähler-Befragung zu ihrer Person reagiert sie verstimmt. „Das kann ja gar nicht sein; das höre ich zum ersten Mal. Ich höre sonst nur Positives.“
Früher wurden die Überbringer einer negativen Botschaft gerne geköpft. Die Wahrheit aussprechen, durfte nur der Hofnarr. Sehr häufig wird die Realität geleugnet. Man will sie nicht hören, nicht wahrhaben. Zudem gibt es genügend Menschen, die einem nach dem Mund reden, einem „nachplappern“ und es einem gleichtun. Und dann ist da noch unser Gefühl: Mit einer Scheinrealität fühlt man sich scheinbar besser.
Sowohl für ihre Situation, als auch ihr Verhalten - z.B. ihr Kaufverhalten - finden Menschen die abstrusesten Erklärungen und Ausreden. Was vielen von außen betrachtet schizophren anmutet, ist jedoch menschliche Alltagsrealität. Menschen möchten das so, und die Wirtschaft nutzt das aus.
Warum suchen wir nach Zertifikaten und Stempeln? Warum bevorzugen wir Marken und geben bewusst mehr Geld aus? Warum haben gerade jene Menschen angeblich kein Problem, die offensichtlich ein Problem haben? Warum machen ausgerechnet diejenigen „alles richtig“, die dann wiederum Absagen erhalten? Warum bekommen ausgerechnet diejenigen Zuspruch, hinter deren Rücken getuschelt und gelästert wird?
Andreas Köhler von der Solinger Agentur für angewandte Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Wirtschaftspsychologie ist u.a. Fachmann dafür, was sich Menschen alles einreden oder eben von anderen einreden lassen. Köhler drückt es behutsam aus: „Diese Menschen glauben an sich oder an etwas. Oft unterliegen wir aber einem Irrglauben. Niemand ist frei davon“
Ist „Glauben“ schädlich?
Köhler: „Es ist natürlich und schön, wenn jemand an etwas glaubt, z.B. an seinen Erfolg, ein bestimmtes Ziel, einen Menschen oder vielleicht sogar nur an den Weihnachtsmann. Sofern dieser Glaube aber in irgendeiner Art und Weise das Leben beeinträchtigt, ob direkt oder indirekt, sollte man das, was man glaubt, einmal hinterfragen, bevor sich der Glaube zu einer Überzeugung festigt, von der einen nachfolgend niemand mehr abbringen kann.“
Ist das möglich, Herr Köhler? Warum sollte uns ggf. niemand mehr von einer Überzeugung abbringen können?
Andreas Köhler: „Weil wir so fest an manche Dinge glauben, so von uns und manchen Gegebenheiten überzeugt sind, dass wir alles andere ignorieren. Wir hören nicht zu, hören nicht hin, halten Menschen, die etwas anders oder etwas anderes, als man selbst sehen für Spinner, betrachten sie sogar als Feinde. Wir können und wollen die Realität oft nicht sehen.“
Das klingt psychotisch. Wann beeinträchtigt unser Glaube das Leben?
Köhler: „Ist es manchmal auch. Das schadet uns insbesondere dann, wenn wir uns in einer Sackgasse befinden und da wieder raus finden wollen, wenn wir im Leben weiterkommen wollen, uns mit einer bestimmten festgefahrenen Überzeugung selbst daran hindern, wenn wir Probleme, Streit und finanzielle Nachteile vermeiden oder beheben wollen. Wenn wir die Dinge um uns herum nur noch einseitig oder falsch wahrnehmen, wenn die Selbst- und Wahrnehmung gestört ist, andere negativ über einen reden und einen ablehnen, man das selbst aber gar nicht bewusst wahrnimmt.“
Können Sie einige Beispiele nennen?
Andreas Köhler: „Jemand hält sich für exzellent gut oder umgekehrt für grottenschlecht. Beide laufen vor die Pumpe, merken es aber nicht. Die erste Person macht sich vielleicht lächerlich, man redet über sie, die zweite Person behindert ihr Vorwärtskommen und erntet den Misserfolg - bereits allein über das Phänomen der Selbsterfüllenden Prophezeiung“
Warum sind einige Menschen so stark davon überzeugt, dass sie extrem gut oder schlecht sind?
Köhler: „Das basiert auf Feedback, das wir von anderen bekommen.“
Wo ist das Problem, Herr Köhler?
Köhler: „Das Feedback bildet unser Selbstbild und zwar unabhängig von der tatsächlichen Qualität. Das heißt, dass Feedback selten objektiv und echt ist. Sehr häufig bleibt Feedback auch aus und zwar genau dort, wo es wichtig wäre.“
Wieso bleibt Feedback aus?
Köhler: „Weil sich Menschen nicht trauen. Untergebene geben ihrem Chef natürlich ebenso selten ein wirklich verwertbares Feedback wie Verkäufer dem Kunden. Sie bekämen Schwierigkeiten oder würden nichts verkaufen.“
Menschen wollen also prinzipiell angelogen werden?
Köhler: „Ja, aber das gibt keiner zu. Von Natur aus wollen wir - selbst wenn wir jemanden dafür bezahlen, die Wahrheit herauszufinden - diese zumeist nicht wirklich hören oder nicht wahrhaben. Hinzu kommt, dass man Menschen nicht einfach so die Wahrheit sagt. Man lügt oder hält sich zurück, damit andere nicht ihr Gesicht verlieren. Im Geschäftsleben sowieso. Da geht es um Geld und das bekommt man nur wenn man nett ist.“
Wie kommen Menschen denn zu einem falschen Selbstbild z.B. der Anschauung, dass sie selbst Versager oder Supermann sind?
Andreas Köhler: „Weil sie das u.a. von anderen eingeredet bekommen. Von Ihrer Familie, von Freunden, von Lehrern, Chefs oder Kollegen. Und dann sind da – viel schlimmer noch - die Menschen und Organisationen, die mit und durch uns Geld verdienen wollen. Die reden uns die tollsten Dinge ein, damit wir für sie arbeiten oder dort unser Geld lassen.“
Und wenn jemand sich eher für einen Versager hält?
Köhler: „Auch das bekommen Menschen nicht selten eingeredet. Schließlich gibt es viele Menschen, die negativ gepolt, neidisch oder voller Missgunst sind. Sie werten sich selbst auf, in dem sie andere abwerten.“
Die witzig vorgeführten Beispiele aus Casting Shows kennen wir bereits alle. Können Sie weitere Beispiele für falsche Überzeugungen, Irrglauben und Selbstbild-Störungen nennen?
Andreas Köhler: „Tatsächlich gibt es Führungskräfte, die stolz darauf sind, den schwarzen Gurt in Gamma 007 nach DIN21b zu haben oder Menschen, die eine Coaching–Ausbildung machen und danach denken, sie können allein damit jetzt anderen wirklich helfen. Selbst wenn z.B. die Marktrealität so etwas nicht ernst nimmt, argumentieren sie so, als wäre das auch von anderen ernst zu nehmen - und manchmal tuen andere das auch weil sie sich ggf. von so etwas beeindrucken lassen. Der Glaube ist schön, die Realität aber manchmal eine andere. Beides zusammen führt zu einer Inkongruenz, die einem Nachteile bringt. Manchmal laufen aber tatsächlich so viele mit, dass ein Irrglaube auch für die meisten zu einer kollektiven Scheinrealität wird. Die gibt es mittlerweile in sehr vielen Bereichen.“
Kollektive Scheinrealität? Nennen Sie bitte ein Beispiel!
Köhler: „Da möchte ich mich gern zurückhalten. Es ist gefährlich, die Wahrheit zu offenbaren, wenn viele Menschen von etwas überzeugt sind und dem nacheifern. Im Bereich der Bildung, der Bewerbung, der Personalauswahl, der Menschenkenntnis und auch im Qualitätswesen gibt es viele Beispiele für kollektiven Irrsinn, der schadet.“
Warum lassen sich Menschen denn Dinge einreden, die in Wirklichkeit ggf. Blödsinn sind?
Köhler: „Weil Menschen an so etwas glauben, zumindest wenn es ihnen geschickt verkauft und verpackt wird, per Mund zu Mund Propaganda herumerzählt oder gar per Gesetz erlassen wird. Sobald andere mitmachen, haben wir den Salat. Dann laufen die anderen hinterher, dann machen die meisten anderen auch mit. Das ist ähnlich wie beim Schaufenster-Phänomen: Steht einer davor und schaut hinein, kommen auch andere und stellen sich dazu.“
Was steckt dahinter? Wer sind die Manipulatoren?
Andreas Köhler: „Auf der einen Seite manipulieren wir uns selbst. Und dann sind da noch die von Ihnen genannten Manipulatoren. Ob nun ein Verkäufer eine manipulative Marketingstrategie fährt oder Goebbels oder Handy X heißt. Insbesondere Organisationen - sei es nun eine Sekte, ein Bildungsanbieter, ein Zertifizierungsunternehmen, eine Versicherung, ein Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich, ein Networkmarketing-Unternehmen oder sogar der Staat reden uns manchmal die abstrusesten Dinge ein. Dahinter stehen zumeist bestimmte Absichten."
Welche Absichten stehen dahinter?
Köhler: "Geschäftlich-kommerzielle Absichten oder gar eine bestimmte Ideologie z.B. eine Religion. Wir kennen den Heiligen Krieg oder das Dritte Reich. Vom angeblich "bösen" Juden bis hin zu den wartenden Jungfrauen für Selbstmord-Attentäter."
Ist unser Glaube, alternativ unser Irrglaube wirklich so stark?
Köhler: „Schauen Sie sich doch mal um! Und schauen Sie doch mal zurück! Hinsichtlich unseres Denkens und Glaubens ist das volle Programm möglich. Selbst die abstrusesten und unlogischsten Dinge werden geglaubt und sogar bis zum Letzten zum Suizid oder vollständig kollektiven Untergang gelebt. Das Dritte Reich ist dafür ein gutes Beispiel. Wahrheiten kamen erst mit Gewalt von außen ans Tageslicht, und selbst dann haben viele nicht geglaubt, was sie selbst mitbewirkt hatten.“
Wie ist das in unserem heutigen Alltag?
Köhler: „Erst kürzlich erhielt ich eine erschreckende Mail, die das gut spiegelt. Sie hatte in etwa folgenden Wortlaut: „Ich habe die letzten Wochen eine Ausbildung zur Fachkraft X bei Y gemacht. Heute habe ich die Ergebnisse der Klausur bekommen, bin überglücklich und zugleich stolz: Ich habe mit "sehr gut" bestanden. Es hat sich gelohnt.“ Natürlich lohnt sich das, zumindest für den Bildungsträger des Seminars, der allein aus kommerziellen Gründen einen bezahlten Lehrgang niemals schlecht bewerten würde und natürlich weiß, dass Prüfungen, dazu mit guter Bewertung das perfekte Marketinginstrument sind. Dass die angeblich als "Ausbildung" verkaufte Schulung ein Produkt ist, über das viele Entscheider in Wirklicht schmunzeln, will allein wegen der Prüfung, der Note und eines Zertifikates niemand mehr wahrhaben, erst recht nicht, dass manche Bildungsangebote bewerbungstechnisch sogar negativ wirken und ein ernsthafter Personalentscheider einen dann für ziemlich naiv oder sogar dümmlich hält."
Haben Sie das der betreffenden Person gesagt?
Köhler: „Um Himmels Willen. Sie hätte mich sicher gelyncht. Die emotionale Beteiligung eines Menschen, der für so etwas bezahlt und sich nebenberuflich abrackert, reicht, um jede Realität zu verdrängen und alle anderen Stimmen als Angriff zu werten. Zudem könnte es bei der betreffenden Person zu einer kognitiven Dissonanz kommen. Wenn die Person ein Klient wäre, müsste er mir erst einen Auftrag mit einer unterschriebenen Einverständniserklärung geben, bevor ich mir und ihm zumuten kann, ihn nach Recherche und Analyse mit der möglichen Realität zu konfrontieren."
Welchen Einfluss haben Marketingstrategien auf uns?
Andreas Köhler: "Intelligente und manipulative Marketingstrategien wirken sehr stark, auch auf die, die sich für schlau halten und jene, die tatsächlich intelligent sind."
So stark, dass die Menschen daran glauben und alles nacheifern?
Köhler: "Ja, sie stehen z.B. kilometer- und tagelang Schlange für ein neu beworbenes Handy. Die meisten tun das, was man ihnen sagt. Und dem Rest sagt man einfach das Gegenteil und dann hat man sie auch. Manche Marketingstrategien wirken so stark, dass die Kunden nicht einmal merken, dass sie Produkte in Wahrheit sogar mitverkaufen, ohne für diesen Job bezahlt zu werden.“
Wie wirkt so etwas denn?
Andreas Köhler: „Ähnlich wie bei Pflanzen. Man muss sie gießen und ihnen Licht geben.“ Wie bitte? Köhler: „Menschen und Organisationen reden uns ein, wir seien gut. Oder sie bestätigen uns einfach. Dann kommen wir und bringen Geld. Das wirkt wie die Anziehungskraft eines Magneten. Wir gehen dahin, wo wir Bestätigung finden und man uns Komplimente macht.“
Wie finden Sie so etwas?
Köhler: “Ich finde das schlimm und persönlich dann abstoßend, wenn es eine Masche ist und das gar nicht ernst gemeint ist. Aber so läuft es. Es wird überall so gemacht. Noch schlimmer ist, dass die Menschen auch noch daran glauben und davon überzeugt sind, dass es so ist wie sie es hören. Das können Sie keinem ausreden. Diese Menschen besuchen eine Ausbildung zum zertifizierten Coach genauso ernsthaft wie die Ausbildng zum geprüften Komiker."
Warum würden einige Menschen selbst eine "Ausbildung zum geprüften Komiker" machen?
Andreas Köhler: "Wichtiger Schlüsselreiz ist hier u.a. das Wort „geprüft“ oder „Zertifikat“. Das wirkt. Egal wer unterschreibt, Hauptsache es steht „Zertifikat“ drauf. Wenn so etwas vom TÜV kommt, glaubt man sogar noch mehr daran. Zertifizierung ist ein regelrechtes Zauberwort und funktioniert nach dem Herdenprinzip recht gut. Im Übrigen sollten Sie dazu mal Karl Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick" lesen. Das scheint insbesondere eine typisch deutsche Mentalität zu sein -und die nutzen Geschäftemacher natürlich aus. “
Wie kommt es, dass einige Organisationen eine so starke Macht über Menschen ausüben?
Köhler: „Sie setzen auf psychologische Grundprinzipien wie z.B. das Streben nach Anerkennung und das Streben nach Sicherheit. Bestimmte Effekte und andere manipulative Tools tun den Rest. Ein Seminar mit dem Titel „Wie dümmlich sind meine Entscheidungen?“, „Wie naiv und doof bin ich wirklich?“ oder „Wollen Sie die Wahrheit über sich erfahren?“ hat von vorneherein keinen Erfolg. Ein Vortrag mit dem Titel „Du bist der Beste!“ wäre für viele interessanter."
Was verstehen Sie unter manipulativen Tools?
Köhler: „Es gibt unzählige. Wo wir gerade Seminare ansprachen, könnte man als Beispiel die Nennung einer Kooperation mit einer Hochschule anführen. Inwiefern hier konkret kooperiert wird, hinterfragt kaum einer. Viele Bildungsveranstalter machen sich das zunutze. Es gibt aber noch viel mehr: Gekaufte Titel, Patenschaften, Vorzeige-Star oder Sternchen. Da gibt es unzählige Beispiele. Und dann sind da noch die Mitarbeiter des Monats, Premien und Preisverleihungen ja sogar nachgestellte bühnenvorgeführte Awards mit Preisverleihungen wie bei echten Stars und berühmten Schauspielern, nur eben nachgestellt.“
Wer glaubt denn an so was?
Köhler: „Selbst Führungskräfte glauben an so etwas und lassen bei den entsprechenden Anbietern eine Menge Geld, nur um ein wenig Ansehen und Anerkennung zu erhaschen, wenn auch nur zum Schein. Hauptsache ist, dass sie dabei sind und ihr Name von einer Bühne aus vorgelesen wird oder im Internet erscheint, z.B. "Vice President Human Resources Mister A und Senior Director HR B erhalten den Human Resources Award für die beste HR-Idee im XY, nennen wir es Motivations-Sackhüpfen." Ein Wahnsinn, aber menschlich."
Wo findet man diese Menschen?
Andreas Köhler: "Extrem krasse Beispiele sind dort zu finden, wo Menschen mit einer ganz bestimmten Persönlichkeit sitzen z.B. im Personalmanagement bzw. im HR-Bereich. Hier sitzen besonders viele Menschen, die nach Anerkennung streben. Sie sind besonders empfänglich für Angebote, die ihnen die nötige Bestätigung und Anerkennung bieten. Persönlichkeitsstruktur und Beruf stehen hier – wie auch in anderen Berufen - nicht selten in einem Zusammenhang. “
Wie fangen Marketingstrategen diese Menschen?
Köhler: „Das ist unterschiedlich. Im HR-Bereich wird z.B. gern mit hochtrabend klingenden Anglizismen gearbeitet, die vom Klang her eine möglichst hohe Aufwertungskraft auf diese Menschen besitzen und eine hohe Internationalität ausstrahlen. Viele fahren darauf ab und blühen in ihrer Rolle auf. Generell lassen sich viele Führungskräfte von so etwas ebenso ködern, ähnlich wie von hochtrabend klingenden Titeln. Die geschickte Masche ist alt und kommt aus den USA. Schauen Sie sich einfach einmal spaßeshalber ein Prospekt einer Personal-Messe an. Da finden Sie viele lustige Beispiele“
Warum lassen sich so viele Menschen so gerne „für dumm verkaufen“? Oder werden wir generell alle dümmer?
Köhler. „Wir sind gewohnt, zu konsumieren. Wir zahlen, wir bekommen. Wir sind Kunde und wollen König sein. Wir werden hofiert und erhalten gegen Geld Bestätigung. Wir lesen nicht gern - nur das, was einfach und praktisch oder gerade ein „Bestseller“ ist. Wir schauen nicht mehr so genau hin, hören nicht richtig zu, hören bei manchem weg und überhören viele Dinge, die unangenehm sind und die wir nicht wahrhaben wollen. Wir lieben unsere Scheinwelt und dafür zahlen wir dann gern und sogar auch mehr, zumindest wenn z.B. eine uns bekannte Marke drauf steht, der Name eines bekannten Schauspielers oder Sängers fällt oder unsere Nachbarn drüber reden."
Sind wir ferngesteuert?
Köhler: „Das könnte man so ausdrücken. Wichtig ist jedoch, dass wir selbst der Auffassung sind, die volle Kontrolle zu haben. Mit der Fernbedienung in der Hand zappen wir mal hier mal dorthin, wo es uns gerade am besten gefällt. Aus der Rolle bequemer Konsumenten und andauernden Konsumverhaltens heraus, suchen wir natürlich nicht die Kritik, sondern versuchen, möglichst Zustimmung zu erhalten. Wenn wir diese nicht bekommen, gehen wir weg. Irgendwo sind immer Leute, die uns genau das sagen, was wir hören wollen. Irgendwo gibt es immer Menschen, die unser Geld wollen und dafür besonders nett sind, egal wie dämlich oder sozial inkompetent wir uns gerade verhalten.“
Wozu führt das?
Andreas Köhler: „Dazu, dass wir manipuliert werden und bei diesem Spiel sogar unbewusst selbst mitspielen. Eine Störung der Selbst- und Fremdwahrnehmung kann bis zu einem Realitätsverlust und zur Störung der gesamten Persönlichkeit führen. Meistens fällt es aber nicht auf.“
Wer kann davon betroffen sein?
Köhler: „Im Prinzip jeder. Vorrangig Menschen mit einseitigem Feedback. Dazu gehören Menschen mit stereotyper Zuordnung ebenso wie Führungskräfte.“
Können Sie Beispiele nennen?
Köhler: „Bestimmte Menschen werden gerne in Zusammengang mit einer bestimmten Funktion, Gesellschaftszugehörigkeit oder einem bestimmten Aussehen relativ einseitig oder vorsichtig bewertet. Sie erhalten oft Feedback ohne valide Wertigkeit.“
Wie fällt Ihnen ein solcher Mensch auf?
Andreas Köhler: „Da gibt es unzählige Indizien bzw. bestimmte Verhaltensmuster, die Rückschlüsse darauf geben können, dass ein Mensch qualitativ ungünstiges Feedback erhält. So gibt es Menschen, die zwar mit anderen kommunizieren, in Wirklichkeit aber nur für und mit sich selbst reden."
Und das fällt dann auf?
Köhler: "Ja, ihren Gesprächspartnern. Den betreffenden Personen selbst, fällt das nicht auf, auch wenn andere sichtlich irritiert sind. Sie lassen sich das nur nicht anmerken. Abstrus ist, dass ausgerechnet Menschen, die in Wahrheit nur sich selbst hören und sehen, geradewegs davon überzeugt sind, dass sie sehr sensibel sind und den richtigen oder einen „feinen“ Blick für andere Menschen und darüber hinaus eine gute Menschenkenntnis haben."
Gibt es ein weiteres Beispiel, wie jemand auffällt, der scheinbar ein sehr einseitiges Feedback bekommt?
Köhler: "Auch bei Menschen, die dauernd erzählen wie gut sie sind, könnte es sich um eine Person handeln, die ggf. nirgendwo ein ehrliches Feedback bekommt, vielleicht nur weil sie Chef ist?“
Da könnte man sich also die Frage stellen: „Wo hat der denn sein Feedback gekauft?“
Köhler: „Ja, Mit gekaufter Bestätigung nach dem Freund-Feind-Bild Prinzip ziehen sich viele immer tiefer in den Sumpf und merken es selbst nicht. Irgendwann stehen sie dann da wie der Kaiser in „Des Kaisers neue Kleider“.
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Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Robert Bellard im Interview mit Andreas Köhler von ib -die image berater- Agentur für angewandte Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Wirtschaftspsychologie
Robert.bellard(at)gmx.de
Datum: 11.07.2014 - 14:43 Uhr
Sprache: Deutsch
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Politik & Gesellschaft
Meldungsart: Fachartikel
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Freigabedatum: 11.07.2014
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